Corona-Stillstand

Ein Sonntag ohne öffentlichen Gottesdienst in den Pfarreien der Stadtkirche Landshut – wann hat es das schon einmal gegeben? Wohl allenfalls in der Kriegszeit vor 75 Jahren, und vielleicht nicht einmal da. Wirklich eine außerordentliche Situation und bestimmt nicht nur für mich ein seltsames Gefühl, das ich noch nicht so recht zu deuten weiß. Oberflächlich gesehen ist alles klar: eine drastische Maßnahme, die der Erzbischof angeordnet hat, deren Preis, Sinn und Erfolg niemand wirklich genau einschätzen kann –  aber dafür haben wir ja die Führungsverantwortlichen, dass sie solche Abwägungen vornehmen und Entscheidungen treffen. Wir wir als Gemeinde vor Ort praktisch damit zurecht kommen, ist auch einigermaßen klar geregelt. Es ist absehbar, das wird schon klappen. Aber für mich bleibt noch eine Frage offen, die Frage nach dem tieferen Sinn und der geistlichen Erfahrung, die das für uns bedeutet.

Zwei Dinge, die noch nicht ansatzweise eine vollständige Antwort sind, aber von denen ich fest überzeugt bin, will ich hier mitteilen:

Erstens, ich empfinde mich den Menschen in der Stadtkirche im Moment umso inniger und konzentrierter verbunden, als es mir unmöglich ist, die ganze Vielfalt von Verbundenheit in Gottesdienstgemeinschaften, Arbeitsgruppen und Gremien, Veranstaltungen usw. weiter zu organisieren. Ich feiere täglich die Heilige Messe und bete für alle, die von den Maßnahmen in Sachen Coronavirus betroffen sind (durch Mehrarbeit, durch Stillstand oder durch den Druck, Entscheidungen treffen zu müssen), und für alle, deren Not durch die Focussierung auf dieses große Thema jetzt in den Hintergrund gerückt ist.

Zweitens, mir kommt ein biblisches Wort in den Sinn: „Dann hat das Land Ruhe und erhält Ersatz für seine Sabbate. Während der ganzen Zeit der Verwüstung hat es Sabbatruhe, die es an euren Sabbaten nicht hatte, als ihr noch darin wohntet.“ (Lev 36,34f). Vielleicht trifft der Corona-Stillstand nicht umsonst in die Fastenzeit, und wir erleben jetzt, wie es gehen kann mit weit weniger Betriebsamkeit, Terminen, Veranstaltungen, Unternehmungen. Es wird nicht gut gehen. Der wirtschaftliche Preis wird enorm sein. Die Beeinträchtigungen des kulturellen und sozialen Lebens, auch des geistlichen und kirchlichen Lebens, werden bleibende Schäden hinterlassen. Verletzungen werden passieren im Zuge von Übertreibungen (Hamsterkäufe und Konkurrenz, Ausgrenzung und Abstrafung vermeintlicher Überträger des Virus …). Und dennoch könnte es sein, dass „das Land“, die ganze Gesellschaft, die insgesamt betroffene Menschheitsfamilie, auf den Boden des Wesentlichen zurück geworfen wird und zu einer Ruhe kommt, der eine tiefe Wahrheit innewohnt; eine Wahrheit, die im Rummel und Blendwerk des üblichen Betriebs verborgen geblieben ist. Es könnte die Wahrheit sein, die im berühmten Ausspruch der Hl. Theresia von Avila ausgedrückt ist: „Gott allein genügt.“ (FJB)