Die schweizerische Ordensfrau und Dichterin Silja Walter wäre im April 100 Jahre alt geworden. Wenigstens jetzt, ein paar Monate später, sei noch einmal an sie erinnert. Viele, die beim Abschiedsgottesdienst von Pfr. Anneser vor zwei Jahren dabei waren, kennen ihr berühmtes „Gebet des Klosters am Rand der Stadt“, das er in seiner Predigt zitiert hat. Hier ihr „Gebet in der Nacht“ (aus: Silja Walter, Gesamtausgabe Bd. 9, Paulusverlag 2004, S. 444).
Der Tag verlöscht
und alles, was ich tat.
Soweit es Liebe war,
bleibt er für immer strahlend da.
Das andere, mein Herr,
Geliebter,
Gott,
mach vor dir ungeschehen
in deinem alles wissenden Erbarmen.
Die Nacht steht wie ein Zelt
um alle Welt.
Ich höre, wie du darin sprichst
zum Menschen,
der im Schweigen auf dich lauscht.
Du redest jetzt zu mir,
wie es dir nie gelang, weil ich dich nicht vernahm,
tagsüber im Getriebe.
Dank sei dir, Christus, Herr, mein Heil,
mein Licht,
für diese dunkle, rein stundenlose Nacht,
in der ich ruhen kann in dir
mit allem, was ich bin und lieb und leide,
mit allen und mit allem,
was du mir gabst und mein ist,
alles ist auch dein.
Behüte es für dich,
Geliebter.
Amen.