„Take me away“

Am 1.11.2025 hat Papst Leo XIV. den Heiligen John Henry Newman (1801-1890) unter die „Kirchenlehrer“ aufgenommen. Ein Text von ihm hier als Impuls für den Monat November, der dem Gedenken der Toten gewidmet ist. Newman hat 1865 den „Traum des Gerontius“ verfasst, ein Text, der eine gut durchdachte Theologie des Fegfeuers in die poetische, gedichtete Form des persönlichen Erlebens bringt. Wie die Seele des Gerontius das Sterben, ihre weitere Existenz, das Gericht Gottes und ihre Ankunft im Ort (?), in der Zeit (?) der Läuterung erlebt. Ein faszinierender Text, der dem englischen Komponisten Edward Elgar zur Vorlage für ein Oratorium gedient hat, aus dem einige Stücke (auch das hier zitierte) in den Schatz der englischen Kirchenlieder eingegangen sind. Hier also „Take me away“, das letzte Redestück der Seele des Gerontius, die sich willig der Läuterung überlässt:

Trag mich hinweg, und in der tiefsten Nacht
Lass mich nun sein,
In stiller Hoffnung haltend dort die Wacht,
Für mich allein.
Dort, regungslos, voll Glück in tiefstem Schmerz
Und unverzagt
Sing ich mein ewig Klagelied himmelwärts,
Bis Rettung tagt.
Sing‘ ich Erleichterung der wunden Brust,
Die ohne Ruh‘
Sich müht und härmt, bis sie einst eilt voll Lust
Dem Frieden;
Sing‘ ich von meinem Herrn, den ich erkor; –
Hinweg mich trag,
Dass eher meine Seele steig‘ empor,
Zu schaun Ihn in der Wahrheit immerwähr’ndem Tag.

zit. nach: John Henry Newman, der Traum des Gerontius. Englisch / Deutsch, mit einem Nachwort von Rudolf Voderholzer, übersetzt von Paul Pattloch, Einsiedeln: Johannes Verlag 22012, 75-77.

Vertrauen in das langsame Arbeiten Gottes

Ganz natürlich drängen wir in allen Dingen ungeduldig dem Ziele zu.
Wir möchten die Zwischenstufen überspringen.
Wir leiden voller Ungeduld darunter,
zu etwas Unbekanntem, Neuem unterwegs zu sein …

Dabei ist es das Gesetz jedes Fortschreitens,
dass sein Weg über das Unbeständige führt,
das eine sehr lange Zeit andauern kann.

So steht es, glaube ich, auch mit dir.
Deine Gedanken reifen ganz allmählich; lass sie wachsen,
lass sie Gestalt annehmen, ohne etwas zu überstürzen!
Versuche nicht, sie zu zwingen,
so als könntest du heute schon sein,
was die Zeit (das heißt: die Gnade und die Umstände,
die auf deinen guten Willen einwirken werden)
morgen aus dir machen wird.

Gott allein könnte sagen, welcher Art der neue Geist ist,
der sich allmählich in dir abzeichnet.
Schenke unserem Herrn Vertrauen und denke,
dass seine Hand dich gut durch die Finsternisse und das „Werden“ führen wird.
Nimm aus Liebe zu ihm die Angst auf dich,
dich im Ungewissen und gleichsam unfertig zu fühlen.

aus: Pierre Teilhard de Chardin SJ,
Entwurf und Entfaltung. Briefe aus den Jahren 1914-1919,
Freiburg 1963, 66
[Brief vom 4. Juli 1915 an seine Schwester]

Der Künstler

Fronleichnam – ein großes Fest des Glaubens. Alle nähren sich vom gleichen schlichten Brot des Himmels. Aber wie bunt, vielfältig, facettenreich ist die Gemeinde, die daraus entsteht … eine Schau! Das schauen wir uns bei den Prozessionen an. Ob wir in unseren Reihen wohl annähernd die Vielfalt hinbekommen, die Lothar Zenetti als Meisterwerk Gottes beschreibt? Ein herrlicher Text:

Ich glaube, dass er ein Künstler ist
(von Lothar Zenetti)

Ich glaube an Gott, und ich glaube, hört ihr,
dass er ein Künstler ist, ein Erfinder:
Unbegrenzt sind seine Ideen. Alles ist neu,
was er macht, und aus erster Hand. Schön ist es,
vielgestaltig und aller Bewunderung würdig.
Der unendliche Kosmos, die Ordnung der Sterne,
das ist sein Plan. Wolken denkt er sich aus
und die Morgenröte, die Berge ließ er entstehen,
und sieh diesen Baum: jeder Zweig, jedes Blatt
ist seine Erfindung, und ebenso formt er
Eidechsen, Fische und Schmetterlinge.

Er gleicht nicht dem Bild, das ihr euch
zurechtdenkt, euren Begriffen und Definitionen.
So wie ihr ihn beschreibt, hätte er niemals
so eine Welt voller Wunder erschaffen
und kaum mehr als eine Sorte von Menschen:
alle kämen sie mit genormten Köpfen daher
und denselben Nasen. Nie und nimmer gäbe es
dieses seltsame Durcheinander von Dichtern,
Schönheitsköniginnen, Kellnern und Kirchenvätern,
von Steuerprüfern, Rockfans und Radrennfahrern,
dazu noch die Großmütter und Musikanten.
Etwas von allem muss in ihm sein.
Er ist ein Hirte, glaubt mir, ein Liebhaber,
Vater und Mutter, ein Kinderspiel. Einer der zaubern
kann und verzaubern, er ist ein großer Indianer.

Geheimnis lautet sein Name, und immer der Andere,
hoch über allem, was ist, und allem voraus,
der Anfang, der Atem, der alles hervorbringt,
und seine Kraft ist spürbar in allem.
Er wirkt die Vollendung, nach der wir uns sehnen.
Im Sturmwind und Feuer, so ist er erschienen,
er wohnt in der Wolke, im Wort, in der Stille.
Er sät seine Hoffnung unter den Armen.
Im Herzen der Liebenden ist er, inmitten
der Welt, und gepriesen sei sein herrlicher Name!

„Friede sei mit euch allen!“

Wir begrüßen zusammen mit der ganzen Kirche und allen Menschen guten Willens Papst Leo XIV. Sein erstes Wort, das er als Papst an die Welt gerichtet hat, lautete „pace“ – Frieden. Ein starker Impuls, mit dem er auf die Segensloggia des Petersdoms getreten ist: „Der Friede sei mit euch allen.“

Er musste nicht eigens erwähnen, dass dieser 8. Mai 2025 für uns Europäer der Tag war, an dem 80 Jahre zuvor mit der Kapitulation der Wehrmacht der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen ist. Wir sind dankbar für 80 Jahre Frieden, wissen aber auch, dass wir weiter dafür arbeiten und immer aufs Neue bereits sein müssen, ihn anzunehmen und anderes dafür zurück zu stellen. Ein starkes, positives, passendes politisches Zeichen!

Aber schon sein zweiter Satz und die ganze Passage machen deutlich, dass der Papst nicht vorrangig Politiker ist, auch wenn die mediale Öffentlichkeit nur dieses Format für ihn hat. „Liebe Brüder und Schwestern, dies ist der erste Gruß des auferstandenen Christus, des guten Hirten, der sein Leben für die Herde Gottes gegeben hat. Auch ich wünsche mir, dass dieser Friedensgruß in unsere Herzen eindringt, in eure Familien, zu allen Menschen – wo immer sie auch sind –, zu allen Völkern, auf die ganze Erde. Der Friede sei mit euch. Dies ist der Friede des auferstandenen Christus. Ein unbewaffneter Friede, ein entwaffnender Friede, ein demütiger und beharrlicher Friede. Er kommt von Gott. Gott, der uns alle bedingungslos liebt.“

Das ist ein starkes Christusbekenntnis. Christus verkünden – das ist schwer in der Welt von heute. Aber das vor allem braucht die Welt von der Kirche. Genau damit ist nun der neue Papst angetreten. Wir freuen uns über Papst Leo XIV. und werden ihn als unseren Oberhirten ehren.

Heiliges Jahr 2025

Das Heilige Jahr 2025 hat zu Weihnachten mit der Öffnung der fünf Heiligen Pforten in Rom begonnen. Papst Franziskus hat ein Gebet verfasst, in dem er das Motto des Heiligen Jahres „Pilger der Hoffnung“ aufgreift. Jetzt, wo er während des Hl. Jahrs gestorben ist, klingt es wie sein Vermächtnis:

Vater im Himmel,
der Glaube, den du uns in deinem Sohn
Jesus Christus, unserem Bruder, geschenkt hast,
und die Flamme der Nächstenliebe,
die der Heilige Geist in unsere Herzen gießt,
erwecke in uns die selige Hoffnung
für die Ankunft deines Reiches.

Möge deine Gnade uns zu
fleißigen Säleuten des Samens des Evangeliums verwandeln,
mögen die Menschheit und der Kosmos auferstehen
in zuversichtlicher Erwartung
des neuen Himmels und der neuen Erde,
wenn die Mächte des Bösen besiegt sein werden
und deine Herrlichkeit für immer offenbart werden wird.

Möge die Gnade des Jubiläums
in uns Pilgern der Hoffnung
die Sehnsucht nach den himmlischen Gütern erwecken
und über die ganze Welt
die Freude und den Frieden
unseres Erlösers gießen.

Gepriesen bist du, barmherziger Gott,
heute und in Ewigkeit. Amen.

Frohes, gesegnetes Weihnachtsfest

Weihnachtsfeier-Gedanke
(von Brigitte Enzner-Probst)

Mehr braucht es nicht
für Weihnachten
als Stern und Stille,
als die Krippe, die ich selber bin
und als das Kind
ins Leben einlassen.
Mehr braucht es nicht.

Es braucht so wenig,
damit Weihnachten wird.
Nur Stille und Stern
und das Kind
in der Krippe meines Herzens.
Mehr braucht es nicht.

Leg dich – ich bitte dich –
in die roh gezimmerte Futterkrippe
einstmals und heute.
In die Härte meines Herzens,
in das stachelige Heu meiner Zweifel,
umgeben vom Schnauben meiner Gefühle.
Leg dich in meine Schwäche.

Hl. Nikolaus

Als Impuls für den Advent ein paar Zeilen aus einem ostkirchlichen Hymnus zu Ehren des Hl. Nikolaus (gefunden im Magazin: „innehalten“, der Kirchenzeitung). Für unsere westlich-lateinische Spiritualität sicher sehr ungewohnt. Aber warum nicht einmal so eine fremde, und doch tief christliche Gebetssprache an sich heran lassen?

Sei gegrüßt, Du vom Schoß der Mutter an Reiner;
sei gegrüßt, Du ganz bis zum Ende Heiliger.

Sei gegrüßt, der Du durch Deine Geburt die Eltern erstauntest;
sei gegrüßt, der Du die Kraft des Geistes sofort nach der Geburt zeigtest.

Sei gegrüßt, Du Pflanze der verheißenen Erde;
sei gegrüßt, Blume der göttlichen Pflanzung.

Sei gegrüßt, Du tugendhafte Rebe des Weinstocks Christi;
sei gegrüßt, Du wunderspendender Baum des Paradieses Jesu.

Sei gegrüßt, Du Lilie, die im Paradies aufsproßt;
sei gegrüßt, Du Myron des Wohlgeruchs Christi.

Sei gegrüßt, denn durch Dich wird das Weinen vertrieben;
sei gegrüpßt, denn durch Dich wird die Freude gebracht.

Sei gegrüßt, Nikolaus, Du großer Wundertäter.
Amen.

 

Gebet um Lebensfarben

Bunte Glasmalerei von Sean Scully: Die neuen Fenster sind in der Altdorfer Kapelle in St. Martin eingebaut worden, die Kapelle ist jetzt offen und findet seit dem Tag der Einweihung große und positive Resonanz in weiten Kreisen. Wir sind glücklich, dass die Stiftsbasilika St. Martin und überhaupt wir als Kirche in Landshut und die Stadt Landshut ein solch hochkarätiges Kunstwerk bekommen hat. Hier ein Text nach Ursula Bittner, der die Buntheit des Lebens feiert und als Gebet für den Besuch bei den Scully-Fenstern durchaus geeignet wäre:

Gott allen Lebens,
in meinem Leben gibt es viel Alltagsgrau.

Ich bitte dich um Lebensfarben in mir,
damit mein Leben mit dir und den Menschen
besser gelingen kann:

Gott, gib mir viel vom Gelb des Lichtes
für die Dunkelheiten in meiner Seele.

Gib mir vom Orange der Wärme
gegen alles Unterkühlte in meinem Herzen.

Gib mir vom Grün der Hoffnung
gegen Resignation und Ausweglosigkeit.

Gib mir vom Rot der Liebe,
um davon wieder austeilen zu können.

Gib mir vom Blau des Glaubens,
um meine Lebensentscheidungen zu leben.

Gib mir vom Violett der Buße
für Wege zu Umkehr und Neuanfang.

Gib mir vom Schwarz des Todes,
damit ich mich einstimme auf Abschiede.

Gib mir vom Weiß des Neuen,
um für dich offen und bereit zu sein.

Gib mir vom Braun der Erde
für Beständigkeit und Ausdauer.

Gib mir vom kostbaren Gold,
dass ich dich als das Kostbarste ehre.

Gott, gib mir ein wenig von allen Farben,
denn buntes Leben lebt sich leichter.

Zeige mir ab und zu einen Regenbogen,
damit ich weiß: Du bist ja da! Amen.

(nach Ursula Bittner)

Adlerpsalm

Adlerpsalm

Wie unter den Flügeln eines Adlerweibchens
bin ich bei dir geborgen, Gott

In deinen Fittichen finde ich Schutz
vor allem, was mir Angst einjagt

Wie eine Adlermutter für ihr Junges sorgt,
behütest du mich vor drohender Gefahr

Und wenn die Zeit gekommen ist,
lehrst du mich, was Freiheit ist

Ich versuche zu fliegen und taumele,
aber du verlässt mich nicht

Auf deinen Schwingen
führst du mich ins Weite

Lässt mich fallen
lässt mich fliegen

Abgründe
werden Luft, die trägt

Aussäen

Aussäen

Samenkorn Freude,
heute will ich dich ausstreuen
in die Erde der Traurigkeit
in das Beet der Eintönigkeit.

Samenkorn Hoffnung
heute will ich dich säen
in die Furche der Verzweiflung
in die schmalen Pflasterritzen des Aufgebens.

Samenkorn Frieden,
heute will ich dich ausstreuen
zwischen die Mauern der Feindschaft
zwischen das Gestrüpp der Unversöhnlichkeit.

Samenkorn Gerechtigkeit,
heute will ich dich säen
in den verdichteten Boden des Profits
in den steinigen Boden der Habgier.

Samenkorn Vertrauen,
heute will ich dich ausstreuen
in die schmalen Beete des Misstrauens
an die Wegränder aufeinander zu.

Schöpfer Gott, Liebhaberin des Lebens,
bereite du den Boden
lass keimen die Saaten
lass wachsen
Freude
Hoffnung
Frieden
Gerechtigkeit
Vertrauen
unter uns.

Claudia Nietsch-Ochs