Heiliges Experiment

Zu den bedeutenden Jubiläen des Jahres gehört auch ein schmerzliches Datum: Vor 250 Jahren endete mit der Vertreibung der Jesuiten aus den südamerikanischen Reduktionen das „Heilige Experiment“. Das war der Aufbau von Siedlungen („reducciones“) als Zufluchtsstätten für die einheimischen Indios in den spanischen und portugiesischen Kolonialgebieten Südamerikas. Unter der Leitung der Ordensleute waren solche Siedlungen zu wirtschaftlicher und kultureller Blüte gekommen. Den Sklavenjägern und Kolonisten waren sie ein Dorn im Auge, und so gelang es ihnen im Verein mit der anti-katholischen Lobby in Europa, 1767 ein königliches Dekret zur Vertreibung der Jesuiten zu erwirken. Die Siedlungen zerfielen, und der Status der Ruinen als UNESCO-Weltkulturerbe ist kein wirklicher Trost für die verbrecherische Politik der damaligen europäischer Aufklärer.

Die Jesuiten kamen erst mit der zweiten oder dritten Generation von Kolonialisten in die neu entdeckten und eroberten Gebiete Südamerikas. Sie zeichneten sich gegenüber dem Missionswerk anderer Orden von Anfang an dadurch aus, dass sie ein größeres Gespür von die Sprachen, die Kulturen und die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung aufbrachten. Gewiss waren die Siedlungen, die zusammen fast so etwas wie einen „Jesuitenstaat“ in Paraguay bildeten, keine Entwicklungszusammenarbeit im heutigen Sinn, sondern – was aber offenbar mit indigenen kulturellen Mustern gut zusammen ging – ziemlich paternalistisch geführt. Ziel war eine nachhaltige Christianisierung der Bevölkerung, was Menschlichkeit, wirtschaftlichen Wohlstand und künstlerische Werte einschloss, aber nicht unbedingt Emanzipation und Autonomie. Dennoch war dieses Missionswerk eine erfolgreiche und beeindruckende Alternative zur üblichen Kolonialisierung. Die mutwillige Zerstörung und die gewaltsame Vertreibung der Jesuiten, von den Gräueln gegenüber den Bewohnern der Reduktionen ganz zu schweigen, ist eines der dunkelsten Kapitel der sich sonst so hell und leuchtend darstellenden Geschichte der europäischen Aufklärung.

Die Arbeit für Menschlichkeit und Gerechtigkeit ist, unter welchen Zeitumständen auch immer, christliche Berufung. Das frühere Bestreben sei gewürdigt, um das heutige zu beflügeln.